Zersiedelung in der Schweiz — Nachholbedarf bei der Raumplanung

Was bedeutet Zersiedelung? Eine Definition

Die Bevölkerung in der Schweiz nimmt ebenso zu, wie die Immobilienpreise und der Raumbedarf. Die Lust am eigenen Haus mit Garten ist ungebrochen. Immer mehr Menschen ziehen daher in Gegenden, die abseits der urbanen Bauzonen liegen. Das ungeplante und konzeptlose Bauen ausserhalb von Städten und Gemeinden wird als Zersiedelung bezeichnet. Einen Anreiz dazu bieten die günstigen Kauf- und Mietpreise, die insbesondere Familien zum Umdenken veranlassen.

Die Entwicklung ist in der Schweiz nicht neu und brachte im Laufe der Zeit bereits zunehmend Probleme mit sich. Im Jahr 1972 forderte daher der Bund, dass jeder Bau an die Kanalisation angeschlossen werden müsse. Damit war die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet erstmalig offiziell. Ein Grundsatz, der mit dem Raumplanungsgesetz 1980 weitergeführt wurde.

Bauen war nur noch in Regionen möglich, in denen die Abwässer direkt in eine öffentliche Kanalisation geleitet werden konnten. Ausnahmen bildeten Infrastrukturprojekte und landwirtschaftliche Bauten.

Die Folgen der Zersiedelung in der Schweiz

Fehlt es an Auflagen hinsichtlich der Raumplanung und des Umweltschutzes, werden ökologische Ausgleichsflächen, Erholungsgebiete und Agrarflächen zerschnitten oder gehen verloren. Ehemals zusammenhängende Wiesen, Felder und Wälder sind meist von Strassen durchzogen und unberührte Areale kaum mehr vorhanden. Kleine ausgelagerte Hofanlagen verfallen, wenn die Betreiber in abgelegenen Regionen keine Nachfolger finden.

Die Zersiedelung belastet die Gemeinden auch finanziell. Von den ca. 590‘000 ausserhalb der Bauzonen erstellten Gebäuden in der Schweiz stammt die Mehrzahl aus der Zeit vor 1972. Jedes Objekt benötigt heute eine Strasse, einen Kanalanschluss sowie Strom- und Internetleitungen. In diesen Gebieten erlaubt der Gesetzgeber nur noch die regional nötigsten Neubauten und Anlagen, beispielsweise Verkehrswege und Leitungen, Skilifte und landwirtschaftliche Gebäude (Geflügelhallen, Schweineställe, Gewächshäuser o. ä.).

Einige Gemeinden fassen diese Vorgaben allerdings grosszügiger und erlauben immer wieder den Bau privater Immobilien.

Wie kann die weitere Zersiedelung verhindert werden?

Die Nachfrage nach mehr Wohnraum und Mobilität in der Schweiz erhöht den Druck auf eine effizientere Landnutzung. Die Bevölkerung lehnt zugleich eine voranschreitende Zersiedelung ab. Eine wichtige Gegenmassnahme stellt das im Jahr 2014 erlassene «Raumplanungsgesetz» dar, das die Bautätigkeit auf noch unbebauten Flächen ausserhalb von Städten und Gemeinden begrenzt. Ebenfalls gesetzlich eingeschränkt wurde inzwischen der Bau von Zweitwohnungen und Ferienhäusern, da diese den überwiegenden Teil des Jahres leer stehen.

Individuelle Siedlungsentwicklung

Eine Lösung des Zersiedelungsproblems kann die effizientere Nutzung der bereits bebauten Flächen darstellen. Diese wird als «Siedlungsverdichtung» oder «Siedlungsentwicklung nach innen» bezeichnet. Ein Vorteil: Die bereits vorhandene Infrastruktur wird weiterhin genutzt und ggf. optimiert. Einkaufsmöglichkeiten, Ärzte, Apotheken, Schulen und Freizeitangebote sind zu Fuss oder mit dem Rad erreichbar.

Voraussetzung für eine zusätzliche Bebauung in bestehenden Wohngebieten ist die individuelle Standortentwicklung mit einer darauf abgestimmten Verkehrsplanung. Auch wenn ein Bebauungsplan der Gemeinde fehlt, muss sich der Neubau dennoch in die bestehende Nachbarbebauung einfügen. Die Siedlungsverdichtung darf nicht zu einer Einengung der Bewohner führen, sondern muss Mehrwert schaffen. Unstrukturierte Massnahmen können eine ablehnende Haltung bei den betroffenen Bewohnern bewirken.

Ecoquartier in Meyrin — Generationenmix trifft Energieautonomie

Das vorrangige Planungsziel der Gemeinden muss es daher sein, die vielfältigen Ansprüche der alten und neuen Bewohner zu harmonisieren. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt das zwar neue, aber verdichtet gebaute Ecoquartier Les Vergers in der Genfer Gemeinde Meyrin. Die Entwickler haben die Priorität eindeutig auf einen effizienten und energiesparenden Umgang mit den Ressourcen gelegt.

Das erste energieautonome Wohnquartier der Schweiz ist ein bunter Mix aus rund 1‘350 Wohneinheiten, vielen Begegnungs-, Bildungs- und Betreuungsstätten, Grünflächen sowie einigen regionalen Gewerbeeinheiten. Hier werben Genossenschafts- und Eigentumswohnungen mit Miet-, Sozial-, Alters- und Studentenwohnungen um die Interessenten aller Altersklassen und Kulturen.

Haben wir Ihr Interesse geweckt?